Doppeltes Casting
Marions einzige drei Zuschauer an diesem Mittwochmorgen waren Clubmanager Matheo und eine Frau, die sich als Carmen vorgestellt hatte, und deren Kamera. Sie sahen der jungen Frau ohne sichtbare Regungen zu, während diese versuchte, sich erotisch zur Musik zu bewegen und dabei so zu tun, als würde es ihr nichts ausmachen, komplett nackt zu sein.
Ganz genauso, wie Marion es zwei Monate zuvor bei der Amateurnacht in exakt dem gleichen Nachtclub getan hatte.
Es war eine Kurzschlussreaktion auf die Trennung von ihrem Freund gewesen und der Start von folgenschweren Wochen. Kurz nach dem Partner war auch der Job weg gewesen und dank der schlechten wirtschaftlichen Lage kein neuer in Sicht, während das Geld auf dem Konto langsam knapp wurde.
Daher ruhten Marions Hoffnungen nun auf einem Casting als Tänzerin.
»Ich denke, das reicht«, meinte Matheo schließlich und er schaltete die Musik aus. »Komm her!«
Marion stieg ungelenk von der hohen Bühne, warf einen hoffnungsvollen Blick zu den abgelegten Klamotten, aber ein Kopfschütteln der Frau ließ sie wissen, dass sie nackt bleiben sollte.
»Nun, es war nicht schlecht«, stellte Carmen mit einem Lächeln fest, während Marion nervös zu der Kamera zwischen ihr und Matheo sah.
»Aber auch nicht überragend«, warf der Clubmanager ein. »Etwas zu brav.«
»Aber ich war komplett nackt!« Marion sah von Matheo zu Carmen und dann wieder zur Kamera, die alles aufzeichnete.
»Etwas mehr muss es in Zeiten des Internets schon sein«, stellte Matheo fest.
»Ich bin mir sicher, dass Marion das weiß«, warf Carmen ein. »Nicht wahr?«
Marion nickte. Sie brauchte den Job.
»Dreh dich um«, forderte Carmen. »Die Beine etwas auseinander. Noch ein Stück! Und jetzt vorbeugen. Ja, genau so! Jetzt legst du die Hände auf die Pobacken und ziehst sie auseinander.«
In den Sekunden, in denen die nackte Frau mit sich haderte, warf Carmen Matheo einen Blick zu. Sie wusste genau, dass Marion nicht sein Typ war. Aber sie war Carmens Typ: jung, weiblich, verzweifelt.
»Noch ein Stück!«, rief sie und kramte in ihrer Tasche nach einem der vorbereiteten Knebelverträge. »Sehr schön!«
2 Kommentare
23.01.22
Kuchenkartell
Diese schlechte wirtschaftliche Lage ist ja wirklich ein Geschenk für einen Fiesling wie Carmen.
Und wenn ich an die Fantasie "300 Minuten" denke, scheint auch Matheo davon zu profitieren.
16.02.22
LynoXes
Man könnte den Eindruck bei Matheo gewinnen. Obwohl es auch bei guten wirtschaftlichen Lagen solche Amateur-Abende gibt. ;)